Der Weg zum Arzt wurde leider doch notwendig, also trat ich am Donnerstag eine kleine Odyssee durch Wartezimmer an. Das ist genau einer der Punkte, warum ich nicht gerne zum Arzt gehe – diese ewige Warterei. Lektüre kann da Abhilfe schaffen, aber nicht, wenn man nicht sitzen kann. Dann wird eine Stunde oder mehr sehr lang.
Fachkundige Meinungen wurden eingeholt („Was machen Sie denn beruflich?“ „Grafikerin.“ „Dann sitzen Sie viel?“ „Ja.“ „Am Mac?“ „Ja.“), die darin mündeten, sofort meine sieben Sachen zu packen, mich unverzüglich ins Krankenhaus zu begeben und mich gleich operieren zu lassen. Auf dem Weg nach Hause, um noch das Notwendigste zu erledigen (ins Blog zu schauen etc.), war ich nahe daran, die Überweisung für’s Krankenhaus zu zerknüllen, in den nächsten Papierkorb zu werfen und pfeifend weiter zu schlendern. Aber allein die Schmerzen beim Gehen überzeugten mich, dass der Gang zur Schlachtbank unumgänglich war. Agnus Dei passt eigentlich sehr gut zeitlich. Das Alter stimmt auch exakt. Zu meinen letzten Worten zählte ebenfalls „Mich dürstet.“ Und ob nun freitags um drei Uhr nachmittags oder donnerstags um sieben Uhr abends, statt fünf an der Zahl, nur eine Wunde (und die reichte mir auch) – so kleinlich muss man ja auch nicht sein. Andererseits trifft Lamm auf mich weniger zu, trotz Begleitattribut meines Vornamens; in diesem Fall wäre Schaf passender gewesen. Ein Kind Gottes bin ich ebenfalls nicht. Ich sympathisiere da eher mit heidnischen Fruchtbarkeitsriten: dicke Eier, süße Hasen etc.
Nun gut, ich schweife ab. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, der Gang ins Krankenhaus. Bei der Notaufnahme haben sie dann auch nur noch auf mich gewartet. „Das muss heute noch operiert werden? Hat Ihr Arzt denn nachgefragt, ob noch ein Bett frei ist?“ „Nein.“ „Das hätte er aber machen müssen!“ „Aha.“ „Wir schauen mal nach, ob noch ein Bett frei ist.“ … und sagen nicht Bescheid, weil „wir“ das ja nicht gesagt haben und es sicher angenehmer ist, im Ungewissen zu warten. Man muss aber sagen, dass in diesem Krankenhaus (das Marienkrankenhaus, dahin begibt man sich als Heide natürlich an erster Stelle…) ansonsten alle Ärzte und Schwestern sehr, sehr nett waren. So beantwortete der erste Arzt, der mir in die Finger fiel, geduldig meine Fragen. Auch die, was ein „Mädchenfänger“ ist. Ich rede öfters etwas undeutlich und er musste „Mädchenfinger“ verstanden haben, denn er starrte verwirrt seine durchaus grazilen Finger an. Aber ich meinte die Aufschrift einer der Schubladen und bereitwillig öffnete er diese, zeigte und erklärte mir den Inhalt: eine geflochtene Hülse mit Metallhaken dran, zum Einrenken von Finger(also doch)gliedern. Tolle Teile. Abluchsen konnte ich dem Arzt aber leider keines. An den Wänden, es war der ambulante OP-Raum, hing auch eine sehr schöne Auswahl an OP-Geräten und auf dem Fensterbrett stand ein blauer Werkzeugkoffer, genau so ein Teil habe ich auch, wohl für die gröberen Fälle.
Noch dauerte es aber, bis die Messer über mir gewetzt wurden und ich wurde erst einmal auf Station verfrachtet. Je eher, desto besser, wäre mir lieber gewesen, aber ich war auch recht froh, mich endlich etwas ausruhen zu können. Die große Müdigkeit verfolgte mich schon wieder, im Halbschlaf lauschte ich dem Gespräch meiner Zimmergenossin und ihrem Besuch. „Das hier sind meine Gallensteine.“ „Die sind aber hässlich!“ „Na ja, die sehen halt verschieden aus.“ „Willst du die etwa behalten?“ „Ja, klar!“ „Wozu denn?“ „Die werde ich jedem zeigen.“
Als ich dann zur Narkose geschoben wurde, hätte ich diese eigentlich nicht gebraucht, so müde war ich inzwischen. Wie üblich versuchte sich der Anästhesist als Entertainer. Ein Urlaub wurde vorgeschlagen. „Mit viel Sonne ….“ „Stopp, Sonne weniger.“ „Also gut, ist die Provence angenehm?“ „Hm.“ „Der Blick schweift über Lavendelfelder, der Duft …“ „Mit der Sauerstoffmaske riecht das hier aber anders.“ „Woanders muss man für eine Sauerstoffkur auch 45,- Euro bezahlen und nun machen Sie mal langsam die Augen zu, dann können Sie sich das auch besser vorstellen!“
Nach der OP hatte ich zunächst heftige Schmerzen, das hat sich aber schnell erledigt und ist bisher zum Glück so geblieben. Leider musste ich nun doch im Krankenhaus übernachten, da die OP erst so spät war. Am nächsten Tag war ich dann damit beschäftigt, dort wieder rauszukommen. Zum einen hatte ich kein Adressbuch mit und somit keinerlei Telefonnummern zur Hand – im Kopf hat man so etwas ja nicht mehr, seitdem man alle Nummern immer gleich abspeichert. Daheim war keiner fähig, das Telefon zu bedienen, aber glücklicherweise hatte ich doch noch einen hellen Moment und erreichte die Sünderin . Wie ich nach Hause kommen würde, war somit geklärt – vielen Dank nochmals. Andererseits musste erst einmal geklärt werden, dass ich rauskomme. „Ich möchte eigentlich gerne heute Vormittag raus.“ „Nein, das geht nicht, dann bluten Sie zu Hause alles voll und sind wieder hier.“ „Das macht nichts.“ „???“ (Das hätte mir wirklich nichts ausgemacht. Im Gegensatz zu einigen anderen Leuten, habe ich keine Probleme mit Blut.) „Also heute Vormittag?“ „Heute Nachmittag.“ „Wann genau?“ „Also gut, heute Mittag.“
Und schon war alles halbwegs überstanden, bis auf dass ich wortwörtlich sozusagen den Ar*** offen habe. Wirklich genau die Art von offener Wunde, bei der ich mir sehr gut vorstellen kann, dass dort Fliegen gern ihre Eier ablegen, als dass es bald von Maden wimmelt. Aber wir haben ja keinen Sommer. Neben den Einlagen in Elefantengröße (keine Pampers, Frau Sünderin), bin ich auch mit diesen reizenden Netzhöschen ausgestattet. Mir geht’s wieder recht gut, das Böse wurde rausgeschnitten, die Auferstehung konnte erfolgen. Nur Sitzfleisch habe ich zurzeit eher weniger, was mich aber nicht daran gehindert hat, z. B. ein Osterfeuer aufzusuchen (keines der großen, wo sich die Massen rumtreiben) oder mit dem kleinen Monster Ostereier zu bemalen: