Wenn man der hässlichen Fratze des Tourismus nicht allzu tief in die leeren Augen schaut, dann ist Prag immer noch sehr schön. Und hin und wieder gelingt es auch, die alte Schönheit inmitten billigen Glanzes und sich drängender Massen zu entdecken. Einfacher ist es, wenn man sich vom Zentrum entfernt – die Zeit scheint dort langsamer vergangen zu sein. Noch mehr Ruhe findet man auf dem Olšany-Friedhof, der mit seinen vielen Grüften (die älteste stammt aus dem Jahre 1799) und sehr alten Gräbern für mich zu den schönsten Friedhöfen Europas zählt. Gleich daneben befindet sich der Neue Jüdische Friedhof, der nicht auf so eine lange Zeit zurückblicken lässt, wie der Alte Jüdische Friedhof, dafür ist man dort weitestgehend allein und neben dem Grab von Franz Kafka lohnt sich ein Besuch dieses 1890 gegründeten Friedhof allemal. Um tiefer in das Leben und die Welt von Franz Kafka einzutauchen, empfiehlt sich das gleichnamige Museum, das mit seinen reichhaltigen Dokumenten und audio-visuellen Exponaten existenzielle Räume und eine imaginäre Topografie erschaffen hat. Nicht nur für Flachlandbewohner sind die vielen Möglichkeiten, Prag von erhöhten Standpunkten zu überblicken, sehr reizvoll. Neben den vielen Stufen zum Hradschin, von dem man einen beeindruckenden Ausblick hat, ist beispielsweise auch der Petřín-Hügel mit seinem Eiffelturmnachbau nicht minder attraktiv. Im Untergeschoss des Aussichtsturms befindet sich eine grandiose Ausstellung über die Erfindungen des genialen Jára Cimrman (Erfinder, Dramatiker, Komponist, Geburtshelfer, Philosoph, und Gynäkologe. Er meldete am Patentamt in London insgesamt 237 eigene Erfindungen an. Alle wurden sofort abgelehnt, bis auf zwei, die später abgelehnt wurden.), der mich sehr stark an Prof. Jakob Pilzbarth erinnert. Was andere Welten betrifft, sind diese leider sehr wenig vertreten, insbesondere die der tschechischen Surrealisten, die außerhalb Frankreichs zu den bedeutendsten zähl(t)en und auch immer noch sehr aktiv sind. Die Galerie von Jan und Eva Švankmajer gibt es glücklicherweise noch und war für mich schon ein Paradies an sich. Ebenso beglückend war die Reise nach Kutná Hora, dessen Altstadt UNESCO-Weltkulturerbe ist und das mit der Mittelböhmischen Galerie (GASK) mehr als besuchenswert ist. Ganz besonders aber wegen dem Sedletz-Ossarium – ein Beinhaus, in dem schätzungsweise 40.000 menschliche Skelette äußerst kunstvoll auf sehr dekorative Weise verarbeitet wurden. Frühes Aufstehen war hierbei angesagt, wenn man diese morbide Pracht für sich allein haben wollte. Das klappte nur nicht so ganz. Eine japanische Reisegruppe gesellte sich auch gleich morgens dazu. Deren Memento mori dauerte allerdings trotz Fukushima nur maximal fünf Minuten. Über Prag und auch Kutná Hora ließe sich bestimmt noch stundenlang weiter schreiben, aber nun komme ich doch zum Ende dieses Reiseberichtes (das mit dem Krokodil- und Kängurufleisch lasse ich z. B. weg), der alle twitterigen Leser soundso schon überfordern dürfte.

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