Als Urlaubsziel hatte ich mir an der Algarve ja bewusst Faro ausgesucht. Zwar ist Faro die Hauptstadt der Algarve, aber für die meisten Touristen nur wegen des Flughafens von Interesse. Meine Aufmerksamkeit für dieses Städtchen wurde vor allem durch das mit Schädeln und Knochen verzierte Beinhaus Capela dos Ossos geweckt. Und dann gibt es diesen beeindruckenden spanischen Thriller – „La isla mínima – Mörderland” (englischer Titel auf dem Fantasy Filmfest war „Marshland”), bei dem zu Anfang eine Landschaft im Luftbild gezeigt wird, die an Gehirnwindungen erinnert, aber nach meinen Recherchen nichts mit dem Filmort zu tun hat, sondern mehr mit der Lagunenlandschaft Ria Formosa. Und genau diese sah ich in voller Schönheit aus der Luft beim Landeanflug.
Erst am frühen Abend reiste ich an und so verbrachte ich den Rest des Tages mit einem ersten Spaziergang durch die Innen- und Altstadt, bei der mir als erstes die zahlreichen Storchennester auffielen (ich habe noch nie sooo viele an einem Ort gesehen) sowie einer leckeren Mahlzeit mit Oktopus. Eigentlich hatte ich zumindest von außen damit schon alles Interessante von Faro gesehen, weil alles doch recht überschaubar ist. Sehr vorteilhaft ist hierbei vor allem, dass man alles Schöne ganz entspannt anschauen kann. Die Touristen halten sich in Grenzen und auch Faro biedert sich größtenteils nicht dem Massentourismus an, so dass alles selbst zentral sehr authentisch wirkt. Hundert Meter von meiner Unterkunft entfernt gab es zwar typische Touristenlokale und Nightlife, hundert Meter in einer anderen Richtung war man dann aber schon wieder nur unter Einheimischen.
Den ersten vollen Urlaubstag startete ich mit meinen morbiden Begierden. Die Capela dos Ossos war doch kleiner als vorgestellt, aber nicht minder faszinierend für mich. Es war aber schon etwas obskur, dass sich direkt daneben (wortwörtlich – nämlich jenseits von einer Kapellenwand) ein Kindergarten befindet, der mit turbulenten Kinderlärm und fröhlicher Musikbeschallung all den Schädeln und Knochen als auch den Besuchenden von diesen kein ruhiges Innehalten bot. Aber genau das ist dann doch auch wieder ein gelungenes Miteinander von Tod und Leben.
Ebenfalls sehr lebendig ging es anschließend in der örtlichen Markthalle zu. Kein architektonisches Highlight, aber Stände voller Leben. Es herrschte Schneckenzeit und die werden hier kulinarisch sehr geschätzt. Deswegen hatte ich mir diese auch auf meine Genussliste gesetzt. Bei den gestapelten Haufen in Netzen, auf denen ausgebüchste Exemplare herumkrochen, war ich mir dann doch wieder etwas unsicher.
Und weiter ging es, endlich zu Strand und Ozean zur nächstgelegenen Insel, der Ilha de Faro. Mit einer kleinen Fähre konnte man durch die Lagunenlanschaft gemächlich dahin tuckern. Diese Fahrten mit der Fähre sind allein schon ultra entspannend. Früher gab es mal auf den vorgelagerten Inseln Fischerhütten, die fast alle abgerissen werden mussten, nun sind dort einige Ferienhäuser, die mitunter befremdliche Dekos haben, aber es geht dort sehr geruhsam zu und man muss nur ein paar Meter laufen, um die Weite von Strand und Atlantik für sich zu haben. Das Wasser fühlte sich gar nicht so kalt an und ich wusste es noch gar nicht zu schätzen, dass es so ruhig war und genoss es einfach wahlweise dem meditativen Wellenschlag zu lauschen oder mich einfach in diese klare Unendlichkeit zu begeben und mit den sanften Wogen zu schwimmen.
So angefixt ging es am nächsten Tag gleich wieder weiter mit der Fähre zur nächsten Insel, der Ilha de Farol. Hier befindet sich ein Leuchtturm, an dessem Fuß ich vorab eine Unterkunft in Erwägung gezogen hatte. Die wäre garantiert ansprechender und vor allem ruhiger gewesen als die von mir zentral in Faro gewählte. Leider konnte ich diesmal keine echte Privatunterkunft finden – jedenfalls nicht zentral und zu annehmbaren Preisen. Bei meiner nächsten Reise – wohin auch immer diese gehen wird – werde ich aber nur wieder ausschließlich eine reine Privatunterkunft wählen. Man taucht einfach viel weiter auf authentische Weise in die Umgebung ein, bekommt eigentlich immer viele Tipps oder gar noch viel mehr so wie in Cagliari (mit meiner dortigen Gastgeberin bin ich sogar immer noch in Kontakt). Jedenfalls gibt es auf der Ilha de Farol gleichfalls Strand und Ozean ohne viele Menschen zur Genüge, wenn man nur ein paar Schritte geht. Nur leider war der Atlantik nicht mehr so ruhig. Zwar wehte nur die gelbe Flagge am bewachten Strand, aber nicht ohne Grund – an Schwimmen war nicht zu denken. Schon in Oberschenkelhöhe konnte man sich kaum oder gar nicht auf den Beinen halten. Also nur etwas planschen und wegen der Hitze wurden dann doch keine ausgedehnten Strandspaziergänge unternommen. So wurde das ein geruhsamer Tag am Wasser. (Nichtsdestotrotz wurden es wieder über 10 km und ansonsten oft auch über 20 km zu Fuß am Tag während meines Urlaubs.) Wieder angekommen in Faro lief ich an einem kleinen Lokal vorbei, das eine Tafel mit „Há Caracóis!” (Es gibt Schnecken!) beschriftet hatte. Offensichtlich nur Einheimische folgten der Werbung und ich auch. Die Schnecken hatten mich also oder ich die Schnecken auf dem Teller. Es war etwas mühsam bei all den kleinen Exemplaren, aber köstlich.
Tags darauf fuhr ich mit dem Zug weiter nach Osten, noch weiter weg von touristischen Hauptzielen an der Algarve, und zwar nach Olhão. Die wohl einzige Stadt an der Algarve, die vornehmlich vom Fischfang lebt und nicht vom Tourismus. Architektonisch besonders ist die maurisch geprägte Bauweise mit quadratischen Häusern nebst Dachterrassen, die einzigartig an der Algarve ist, allerdings erst weit nach muslimischer Herrschaft entstanden ist. Mich lockten aber vor allem die historischen Markthallen, die Gustave Eiffel entwarf, und die überbordende Streetart. Das Angebot der Markthallen als auch die Atmosphäre ringsum fand ich sehr ansprechend, in der Fischhalle machte mich z. B. ein Thunfischschinken glücklich. Den Bauernmarkt gab es noch zusätzlich zwischen Markthallen und Bucht, als ich da war. Hinter einem Blumenstand am Wasser ist in den verlinkten Bildern die Nachbildung der Bom Sucesso zu sehen. Mit dieser Nussschale wurde der Atlantik überquert, um dem portugiesischen König im brasilianischen Exil vom Sieg über die napoleonische Vorherrschaft zu berichten. Für die Streetart steht in Olhão vor allem der Graffitikünstler SEN und am bekanntesten ist das sogenannte Graffitihouse, das sich etwas außerhalb der Innenstadt befindet, aber schon am Bahnhof wird man mit künstlerisch anspruchsvolleren Graffiti empfangen.
Ein neuer Tag und gleich wieder unterwegs. Diesmal nach Estói. Dank der sonntags nicht so optimalen Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln habe ich vom dortigen Flohmarkt nicht mehr groß was mitbekommen, aber da gibt es ja auch noch dieses rosa Rokokoschloss. Mir war vorher gar nicht bewusst, dass es sich hauptsächlich um ein Hotel handelt … Aber die ganze Anlage ist schon sehr pittoresk. Auf eine gewisse Weise jedoch grotesk protzend. Interessant war auch der kleine lokale Friedhof, an dem sich die Bushaltestelle befindet – neben ein paar schönen kleinen Mausoleen gab es teilweise bei den Kolumbarien angebrachte Dächer, die wohl zum Sonnenschutz für hinterlegte Blumen dienen. Und dann gab es auch noch das Gespräch mit einer portugiesischen Oma beim Warten auf den Bus. Auch wenn ich kein Portugiesisch spreche und sie keine andere Sprache, haben wir uns irgendwie prächtig unterhalten.
Und los ging es am nächsten Tag zu meinem weitesten Ausflug. Nicht per Flugzeug, sondern mit dem IC nach Albufeira. Das ging fix, aber auch wieder nicht vorteilhaft, wenn vom sehr dezentral gelegenen Bahnhof kein Bus direkt ins Zentrum fährt. Und schon gar nicht zum Yachthafen, wo ich einen Bootsausflug entlang der Felsenküste, inklusive der berühmten Benagil-Grotte und Delfinebeobachtung, gebucht hatte. Aber so habe ich schon einen ersten Eindruck bekommen, wie das so an touristischen Hotspots an der Algarve abläuft. An Bord auf hoher See gab es dann massenweise Delfine zu sehen. Es ist jedoch recht schwierig, ein passables Foto zu machen. Die Benagil-Grotte ist exemplarisch für Overtourism – in dem Gewimmel ging die Schönheit dieses Ortes fast verloren. Die spektakuläre Ansicht hatte mich ebenfalls gelockt, aber das war es dann doch nicht, was ich wollte. Später, als ich noch etwas die Touristenhölle von Albufaira erkundete, wurde mir erst bewusst, dass ich mit meiner Auswahl von Faro im Osten bzw. der Sandalgarve, eine gute Entscheidung getroffen habe. Der Rückweg auf dem Boot entlang der Felsenküste war aber auch wieder voll von schönen Ansichten, so dass ich diesen Ausflug nicht missen möchte. Von der Wasserseite her war das sehr beeindruckend, von der Landseite her sicher anders, aber bestimmt ebenfalls sehr beeindruckend. Unser Reiseführer an Bord wies immer wieder darauf hin, wie sich Touristen jenseits der gekennzeichneten Pfade aufhalten und dass das nicht nur persönlich gefährlich ist, sondern auch für die Natur.
Den folgenden Tag verbrachte ich nach diesem längeren Ausflug sehr geruhsam in Faro, da zudem mit dem Konzert der Swans eine lange Nacht bevor stand (hierzu später mehr). Alles, was mich außer dem Beinhaus noch so interessierte wurde diesmal von innen besichtigt – u. a. die Kathedrale und einige Galerien. Ansonsten wurde schon mal der „Proviant” zusammengestellt, da ich am nächsten Tag wieder eine längere Tour geplant hatte und dies leider auch schon der letzte richtige Urlaubstag war. Mein Carepaket für den kulinarisch verlängerten Urlaub bestand diesmal hauptsächlich aus Käse- und Fleischprodukten sowie einigen konservierten Meeresspezialitäten. Frisches aus dem Meer habe ich reichlich (eigentlich ausschließlich) während meines Aufenthalts genossen.
Nach sehr wenig Schlaf ging es am nächsten Tag mit dem Zug noch weiter ostwärts nach Tavira, gleichfalls eine kleine Lagunenstadt an der Ria Formosa. Nach einer eher kurzen Besichtigung der Stadt nahm ich wieder mal eine Fähre und fuhr diesmal zur Ilha de Tavira. Die Fähre war größer und auch beim Ankunftsort zeigte sich mehr „touristische Aufgeschlossenheit“. Nach der kurzen Nacht legte ich erst einmal eine Pause bei einer Location ein, die auf sehr angenehme Weise nach Pause schrie. Und dann ging es mit einer längeren Strandwanderung zu meinem Ziel los. Der Ankerfriedhof reizte mich dann doch sehr. Der Atlantik reizte mich dann aber auch wieder sehr. Sehr mögig in seiner Pracht, sehr abweisend in seiner Wucht, um sich mit ihm zu verbinden. Egal, es war der letzte Tag und ich möchte den Blick auf diese Weite nicht missen.
Beim Rückflug überlegte ich kurz, ob 117+ ein Argument wäre, um diesen zu canceln. Aber eigentlich weniger wegen Fußball, sondern mehr, weil dies ein absolut spannender als auch entspannender Urlaub war.
Hier sind mehr Bilder zu sehen. Gegebenenfalls folgen Bildunterschriften.
Wie ich mir Sie mit „morbiden Begierden“ am Strand von Faro vorstelle…
Danke für den Urlaubsbericht und die wie immer wunderbaren Fotos. Macht große Lust auf einen eigenen Urlaub in Portugal.
Sie sind mir heimlich hinterhergereist? (Den Fotobeweis haben Sie ja geliefert!)