Vornehmlich mit dem kleinen Monster gehe ich ab und zu ins Theater. Gegenseitig suchen wir Stücke aus, die wir beide interessant finden, aber eher weniger jemand aus dem jeweiligen Bekanntenkreis. Theater haftet noch immer etwas Elitäres an und zählt für viele nicht zu den Freizeitgestaltungen, die man ganz selbstverständlich wahrnimmt. Wir sind da geschmacklich sehr d’accord und es darf gern etwas anspruchsvoll sein. Vor einigen Jahren hätte ich nie gedacht, dass sich das so entwickelt, obwohl ich schon seit frühster Kindheit auch immer wieder mit dem kleinen Monster Theater besuchte. Irgendwann folgte nach einer Phase des Desinteresse der eigenständige Drang.
Jedenfalls nahm das kleine Monster auch an der diesjährigen Nacht der Theater teil, ist so auf dieses Stück in den Hamburger Kammerspielen gestoßen und wir haben gleich nach der Premiere die nächste Vorstellung besucht.
Das Stück hat uns sehr gut gefallen (Inhalt kann man im Link nachlesen). Die Darsteller waren einfach grandios und haben zu recht am Ende (fast) komplette Standing Ovations bekommen. Das Bühnenbild war sehr minimal, hat aber sehr effektiv mit wenigen Mitteln sehr große Wirkung erzielt. Wirklich sehr beeindruckend!
Aber nicht allen hat es gefallen und das fand ich sehr erschreckend: eine ältere Frau schräg vor mir meinte zu ihrer Nachbarin, dass sie in der falschen Vorstellung wäre (in der Szene ging es um Entschädigungen nach Kriegsende) und am Ende klatschte sie demonstrativ nicht … Auf mich wirkte das nicht so, dass das ein Ausdruck gerechtfertigter Kritik an aktueller israelischer Politik wäre. Ich wundere mich sehr darüber, was sie bewogen hat, diese Aufführung zu besuchen.
Was in Gaza passiert ist unakzeptabel, ebenso wie alles andere zuvor wie z. B. die aggressive Siedlungspolitik und Diskriminierung. Aber ebenso unakzeptabel ist der Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 und allgemein Bestrebungen von anderen terroristischen Organisationen oder arabischen Staaten den Staat Israel auszulöschen. Beide(!) Kriegsparteien vergehen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Auch wenn es schwierig ist, hier eine optimale Lösung zu finden, meine ich doch, dass eine sofortige Anerkennung einer Zweistaatenlösung, also Anerkennung des Staates Palästina (Gaza Westjordanland und Ostjersalem) und Israel (ohne die besetzten Gebiete) der beste Weg wäre, auch wenn man meinen könnte, dass dadurch der Hamas Recht gegeben wird. Das ist alles aber sehr komplex und nicht so einfach zu entscheiden. Die Hamas wird man jedoch nicht mit einem Krieg besiegen können, ebenso wie die Hisbollah u. a. Es wird nur neuer Hass erzeugt.
Und dennoch darf bei der derzeitigen Politik von Netanjahu nicht vergessen werden, wie wichtig es ist, dass es diesen Staat Israel gibt und dieser trotzdem Unterstützung braucht. Die historischen Hintergründe, die die Gründung notwendig machten, werden inzwischen vollkommen ignoriert.
„Nächstes Jahr in Jerusalem” (L’Shana Haba’ah B’Yerushalayim) ist ein traditioneller jüdischer Wunsch, der am Ende des Pessach-Seder und an Jom Kippur gesungen wird und eine Sehnsucht nach dem Ende der jüdischen Diaspora und der Rückkehr nach Jerusalem ausdrückt. Und „Nächstes Jahr Bornplatzsynagoge” drückt die lokale Sehnsucht nach hiesiger Heimat aus. Dass das, was einmal war, wieder selbstverständlich sein soll. Die Hamburger Kammerspiele haben eine enge und bedeutende Verbindung zur jüdischen Kultur, die sich sowohl in ihrer Entstehungsgeschichte als auch in ihrem aktuellen Programm zeigt: Das Theater wurde von der jüdischen Dramatikerin Ida Ehre gegründet. Und wenn man sich dort im Grindelviertel so ein Stück anschaut, ist einem ziemlich bewusst, dass sich die Bornplatzsynagoge nur 350 Meter entfernt befunden hat. Der Grindel ist ein Stadtteil in Hamburg, der inzwischen wieder als das bekannteste Zentrum des jüdischen Lebens in der Stadt gilt und historisch auch als „Klein Jerusalem“ bezeichnet wurde. Die dort heutig ansässige jüdische Joseph-Carlebach-Schule benötigt Polizeischutz. Schulbesuch beschützt mit MP und Zäunen. Alltag nicht erst seit dem derzeitigen Gaza-Krieg. Antisemitismus ist gesellschaftlich immer noch fest verankert und das bezieht sich auf alle Gesellschaftsschichten.
Ein kleines Detail blieb mir bei der Theatervorstellung besonders im Gedächtnis. Einer der Hauptprotagonisten trat in der Nachkriegszeit nie irgendwelchen (auch vollkommen unbedeutenden Freizeit-) Organisationen bei – er wollte nicht auf irgendeiner Liste erscheinen. So weit sind wir (fast) schon wieder in Anbetracht von Listen, die Rechtsextreme führen. Bürgermeister treten z. B. wegen rechter Bedrohung zurück. Und die AfD bekommt bei Wahlen und Umfragen immer höhere Ergebnisse. Mögen viele auch aus Protest wegen der mehr als schlechten Performance der bisherigen und jetzigen Regierung AfD wählen, so macht sich ein Rechtsruck breit, der mir Angst macht. Wir leben zwar in einer kapitalistisch bestimmten Gesellschaft, aber mit vielen demokratischen Rechten, die insbesondere im sozialen Sektor hart erkämpft wurden. Alle und jegliche Minderheiten haben Rechte. Lasst uns dafür aktiv kämpfen.
2025.09.28, 21:53 -
C. Araxe
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