Beim letzten Konzert von Shortparis gab es die russische „militärische Spezialoperation” in der Ukraine „erst” etwas über ein halbes Jahr. Nun herrscht der Invasionskrieg immer noch. Und auch immer noch leben alle Bandmitglieder bis auf den ins Exil gegangene Gitarristen Alexander Galyanov in Russland. Sie haben sich zum Bleiben entschieden, solange dies möglich ist.
Der Krieg bewirkte jedoch eine Wandlung. Zuvor gab es Videos, die von einer militaristischen Ästhetik geprägt waren und das Haupt des Sängers Nikolai Komyagin war militärisch klassisch russisch kahl geschoren. Die nun bevorzugte Ästhetik ist die von Trauer und Klage, statt Aggression und Gewalt. Entsprechend ruhiger fallen seither die musikalischen Veröffentlichungen aus. Ungewohnt ist nun auch die Frisur des Sängers (die Haare wirken schon fast wie eine Perücke).
Die kritische Haltung der Band ist jedoch nach wie vor vorhanden. Die Texte waren schon immer recht subtil und man musste zwischen den Zeilen lesen. Als ehemalige DDR-Bürgerin kann ich das sehr gut verstehen (auch wenn meine Russischkenntnisse inzwischen minimal sind, aber das ist ja heutzutage irrelavant) und noch mehr wichtig finde ich, dass es solche Bands (und auch andere Kulturschaffende etc.) gibt, die in Russland bleiben und dort durch ihre Stimme alle Andersdenkenden stärken.
Das Konzert war indes aber keine ruhige Veranstaltung, auch wenn (wie zuvor auch) teilweise stillere Töne angeschlagen wurden. Die exorbitante Energie dieser Band brachte das Publikum (wie gewohnt) zum Kochen. Für die stilleren Stücke wurde teilweise ein Klavier außerhalb der Bühne genutzt (plåötzlich war Nikolai Komyagin direkt vor mir). Aber auch mit dem Schlagzeug wurde mitten im Publikum gespielt. Und auch ohne den Koslov-Veteranenchor (mit Mitgliedern aus dem 2. Weltkrieg) sorgte „Яблонный сад” (der Apfelgarten) für Gänsehaut (zwei Wochen nach Kriegsausbruch veröffentlicht), der das sinnlose Sterben in Kriegen thematisiert.
Es war jedenfalls ein sehr intensives Konzerterlebnis. Und es macht deutlich, dass Russland und seine Einwohner allgemein nicht gleichzusetzen sind mit der aggressiven Politik von Putin.
2025.11.04, 18:42 -
C. Araxe
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