Endlich war ich nach Ewigkeiten wieder mal in Berlin, in meiner (Insider) Stadt! Durch tief verschneite Landschaften reisend kam ich am ebenso tief verschneiten Hauptbahnhof am Freitagvormittag an.

Zuerst ging es nach Vietnam in Lichtenberg zum Dong Xuan Center, das ich immer schon mal ansehen wollte. So spannend fand ich es dann zwar nicht, aber es ist schon eine Welt für sich und einen Besuch wert. Bei asiatischen, auch speziell vietnamesischen Lebensmitteln ist Hamburg schon recht gut aufgestellt, aber z. B. frische Hühnerfüße gibt es dann doch nicht. Die sehr günstigen und wohl auch kompetenten Friseure fielen auf. Ansonsten viel Trash. Aber cool, dass Die Linke hier vietnamesische Wahlwerbung macht.

Weiter ging es zum jüdischen Friedhof in Weißensee, dem größten jüdischen Friedhof in Europa. Auch gerade tief verschneit wirkt er sehr idyllisch. Und je mehr man durch tiefen Schnee stapft, je mehr wird einem deutlich wie sehr jüdisch geprägt Berlin mal war. Viele Grabstätten von bedeutenden Mitgliedern der Gesellschaft, eher wenige hebräische Inschriften, aber viele sehr poetische. Lücken auf Familiengräbern in der Zeit des Holocaust.

Anschließend ging es zu der Region von Berlin, die für mich irgendwie Heimat ist – Kreuzberg, genauer rund um den Kotti und Oranienstraße oder ehemals SO36. Vor dem Mauerfall war ich zwar auch schon fast jährlich in (Ost-)Berlin, aber in der Ecke habe ich mich danach am meisten aufgehalten.

Nun war ich länger nicht mehr da und es gab so Horrorberichte rund um den Kotti, was so die Junkieszene betrifft. Aber hey, kein Vergleich zu dem, was man hier in Hamburg in der Nähe vom Drob inn, Steindamm oder rundum kennt. Jedenfalls habe ich meine noch übrig gebliebenen Lieblings-Locations besucht und bin dann rüber nach Neukölln zu meiner sehr speziellen Unterkunft quasi im ehemaligen Kino-Museum, die wirklich sehr charmant war (inklusive Besitzer), aber leider bald nicht mehr verfügbar ist.

Nach der sehr frühen Anreise war ich dann so platt, dass ich am Abend überhaupt nix mehr gemacht habe, obwohl es so einige verlockende Optionen gab. Am nächsten Tag startete ich mit einem formidablen Frühstück (Brioche gefüllt mit Rührei, Lachs, Avocado u. a. – die Auswahl eines Lokals nur in direkter Umgebung fiel schon schwer) und ging anschließend dahin, wo nichts ist. Zum Tempelhofer Feld. Auf dem Weg schaute ich mir auch den hinduistischen Tempel an der Hasenheide an, der noch immer nicht fertig ist.

Unmittelbar vor dem Tempelhofer Feld war ich erstmals im Schillerkiez, der sehr charmant und touristisch noch recht unbeleckt wirkt. Da gibt es z. B. Türkische Sushi und einen Wochenmarkt, der u. a. sizilianische Spezialitäten hat. Das verschneite Tempelhofer Feld war schon recht gut besucht, aber es war dann doch beeindruckend so viel Weite mitten in der Stadt zu haben.

Jedes Mal, wenn ich in Berlin bin, besuche ich die Zoozooville-Gallerie in Friedrichshain. Ich hatte allerdings ganz vergessen, dass einer der Inhaber – Johan Potma – in Neukölln sein Atelier nebst Laden hat. Und zwar genau neben meiner Unterkunft. Die Öffnungszeiten um 13 Uhr passten dann genau zu einem Zwischenstopp in meiner Unterkunft. Wie immer habe ich es nicht geschafft, nichts zu kaufen …

Danach ging es weiter zum Alex ins Nikolaiviertel, wo sich das Designpanoptikum des Künstlers Vlad Korneev befindet. (Dessen fotografische Werke kenne ich aus sehr frühen Zeiten aus Hamburg und schätze sie sehr, aber es gibt sogar noch frühere Verbindungen zu meiner Geburtsstadt). Dorthin wollte ich quasi schon seit der Eröffnung, hatte es aber bisher nie geschafft. Sehr bedauerlich, dass ich erst jetzt dazu gekommen bin, denn dieses surreale Museum für industrielle Objekte ist eine wahre Wunderkammer. Auf skurrile, oft recht bizarre, aber auch humorvolle Weise sind hier die Sammlerstücke komponiert. Der Museumsinhaber sorgt zudem für sehr amüsante Konversation.

Für einen kurzen Ausflug nach Friedrichshain war anschließend noch Zeit. Trotz des dort nach wie vor herrschenden Überangebots an leckeren, exotischen Speisen fuhr ich zum Abendmahl danach wieder zurück nach Neukölln und holte mir bei einem Mexikaner in meiner unmittelbaren Nachbarschaft einen ebenfalls sehr leckeren Burrito zum Mitnehmen. Es war sehr kalt, die Wege zunehmend glatt und ich auch schon wieder zunehmend platt. Mich zog es also wieder nur in meine schöne Unterkunft und das Berliner Nachtleben musste auf mich erneut verzichten. Falls ich doch noch zumindest etwas Unternehmungslust bekommen hätte, wäre gleich einen Hauseingang weiter (andere Richtung) eine urige Kneipe gewesen – „Bei Schlawinchen”, nonstop geöffnet. Aber zzz, zzz …

Um so munterer ging es am nächsten und letzten Tag auf zwei Flohmärkte in Friedrichshain. Trotz Schneegestöber waren diese sehenswert, auch wenn ich nichts gekauft habe. Zum Frühstück gab es dann dort einen frisch gepressten Orangensaft (draußen) und ein leckeres Shakshuka (drinnen!).


Die Sammlung Scharf-Gerstenberg mit Schwerpunkt Surrealismus wollte ich auch schon seit der Eröffnung immer mal besuchen. Die aktuelle Ausstellung „Böse Blumen” (bezieht sich natürlich auf Charles Baudelaire) gab nun den Impuls, das Vorhaben endlich umzusetzen. Und es hat sich sehr gelohnt! Die Dauerausstellung als auch die bösen Blumen waren sehr sehenswert, inspirierend und allgemein künstlerisch bereichernd. Und so habe ich mich dort doch etwas länger aufgehalten als ursprünglich gedacht.


Bei Sonnenschein und nach wie vor viel Schnee flanierte ich noch etwas ums nahegelegene Charlottenburger Schloss nebst Garten. Das ist schon prächtig, aber hey – ich bin von Geburt an schlossmäßig verwöhnt (Schwerin). Die Lage, also die unmittelbare Umgebung ist in Charlottenburg auch weniger idyllisch. (Wenn man in Berlin und drumherum richtig beeindruckende Schlösser nebst Gartenanlagen sehen will, dann lieber gleich Sanssouci).

Und schwupps stand schon die Abreise an. Auf Anraten meines Bahnexperten (das kleine Monster) ihm ich die Abfahrt vom Südkreuz. Besser wäre dann aber doch eine Sitzplatzreservierung gewesen bzw. wäre diese auch nicht ab Hauptbahnhof notwendig gewesen. Der Bahnhof und die Gegend rund ums Südkreuz sind nämlich ziemlich tot. Ich hatte nämlich noch eingeplant, mir ein Abendessen für die Zugfahrt zu organisieren. Ein recht gut bewerteter Afghane in Bahnhofsnähe mit Speisen zum Mitnehmen schien eine gute Option zu sein. Letztendlich waren die georderten Manti auch sehr lecker, aber es handelte sich um einen reinen Lieferservice, der überhaupt nicht auf Besuch vor Ort eingestellt war und entsprechend sah es dort aus. Als „Besteck” konnte ich mir am Bahnhof noch hölzerne Kaffeerührstäbchen besorgen („Kostet 10 Euro!” Es folgte Lächeln vs. Lächeln. Und ein fettes Dankeschön.)

So, und nun muss ich bald wieder nach Berlin. Weil es so schön war und es auch immer noch so viel zu entdecken gibt. Mögen die Zeiten auch mal spanender gewesen sein (aus meiner Sicht ist da sehr viel verschwunden), so gibt es doch auch immer wieder viel Neues.