Gestern habe ich mit der Nachbarin gesprochen, der Einauge „gehört”. Der Gescheckte hat dort ebenfalls sein Heim und tauchte just in dem Moment auf, als wir uns unterhielten. Sein Zustand war ziemlich zerzaust und ich erfuhr, dass der kleine Morpheus dafür verantwortlich ist. Mein Dreimäusehoch mit Piepsstimme prügelt sich also durch die Nachbarschaft. Von Mortimer hat sich der Lütte anfangs ja mal einen Kratzer über der Nase eingefangen, als er immer wieder sehr draufgängerisch, wenn auch eher spielerisch Mortimer attackierte – inzwischen verstehen sich die beiden meistens sehr gut und es kommt nur sehr selten zu kleinen Kabbeleien, die ja durchaus üblich sind.
Einauge war hingegen wieder aufgetaucht, war aber nun wieder verschwunden. Nichts Ungewöhnliches bei ihm, wie ich erfuhr. Gerade im Sommer treibt er sich fast nur draußen herum, aber sonst schaut er zumindest immer kurz mal vorbei. Nun ist die Nachbarin für zwei Tage verreist und ich versprach, die Augen offen zu halten. Und es ging schneller als gedacht, dass ich herausgefunden habe, wo sich Einauge aufhält. Heute Nacht hatte Morpheus nämlich mal wieder sein Halsband verloren. Diesmal wurde es nicht in unmittelbarer Nähe geortet, sondern mehrere hundert Meter weiter.
Der dortige Bewohner war sehr freundlich und ließ mich auf sein Grundstück. Als ich sagte, dass zu dem Halsband ein schwarzer Kater gehört, ging er sofort von Einauge aus, der sich bei ihm meist die ganze Zeit aufhalten würde. Und so war Einauge auch zu diesem Zeitpunkt dort und kam sofort zu mir, um mich zu begrüßen. Er hatte eine große Wunde am Rücken, die der hilfsbereite Mann (er hatte früher selbst eine Katze) auch schon versucht hatte zu desinfizieren (gleichfalls war er mit Einauge zuvor sogar schon beim Tierarzt, als er bei ihm einen Bandwurm entdeckte). Die Vermutung liegt nahe, dass Morpheus ihm diese Wunde zugefügt hat. Schließlich hat er sich eindeutig dort aufgehalten – das Halsband habe ich diesmal in einer dichten Thujahecke gefunden. Die Wunde könnte aber auch alle anderen möglichen Ursachen haben. Ich werde aber auf jeden Fall versuchen, die Nachbarin gleich bei ihrer Rückkehr zu erreichen und ihr den Aufenthaltsort und Zustand von Einauge mitteilen. Ich hoffe, dass sie dann auch schleunigst mit ihm zum Tierarzt geht.
Auch wenn Morpheus diese Wunde nicht verursacht haben sollte, so ist dieser Hänfling sicher dafür verantwortlich, dass sich Einauge nicht mehr gern bei seinem Zuhause aufhält. Ich wüsste aber auch nicht wirklich, was ich dagegen tun könnte. Ursprünglich wollte ich Morpheus ja nur begrenzt herauslassen, aber das habe ich aufgegeben, da er ein Meister ist, wenn es darum geht Wege in eine unbegrenzte Freiheit zu finden. So eine Umzäunung bei dem sehr kleinen Garten finde ich jedenfalls nicht sehr attraktiv und die lässt sich auch nicht so einfach aus örtlichen Gegebenheiten umsetzen. (Und Elektrozäune sind soundso laut Tierschutz verboten.)
Ich hoffe einfach mal, dass die Revierkämpfe bald geklärt sind und mein kleiner Terror-Kater nicht mehr alle Katzen in der Nachbarschaft in Angst und Schrecken versetzt und schlimmstenfalls ihre Gesundheit gefährdet.